Verletzungsprävention durch ein verbessertes, aufblasbares Kopfstützensystem


Projekttitel: Verletzungsprävention durch ein verbessertes, aufblasbares Kopfstützensystem  Nr. 02243.1
Auftraggeber: Eugen-Otto-Butz-Stiftung 
Mittelgeber:  
Institution: TÜV Rheinland/Berlin-Brandenburg
Status: abgeschlossen 
Methode:  
Informationsquelle: Projektbericht 
Abstract: Problem
Selbst in unfalltypischen frontalen und heckseitigen Kollisionen bei nur geringer Stoßenergie nimmt die Anzahl der zunächst unverletzten Autoinsassen, die als Spätfolge des Unfalls an Schleudertraumen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) leiden, überproportional zu. Offen ist, ob diese Verletzungsgefahr selbst bei energiearmen Unfallstößen möglicherweise typisch für moderne europäische Kleinwagen mit engen Innenraumverhältnissen sein kann. Unter diesen Bedingungen kommt der weiteren Entwicklung optimierter, leistungsfähigerer Rückhaltesysteme besondere Bedeutung zu.


Untersuchungsziel
Das Ziel der Untersuchung bestand darin, ein sicherheitstechnisch verbessertes Kopfstützensystem zu konzipieren.


Vorgehen
Mit der Frage, welche Anstoßkonstellationen front- und heckseitig in erster Näherung quasi verletzungsfrei bzw. verletzungsarm für die betreffenden Insassen verlaufen waren, wurden Literaturrecherchen durchgeführt. Das Ergebnis war, dass das Rückhaltesystem bestimmungsgemäß aktiviert worden und seine primäre Schutzwirkung wirksam geworden sein musste.

Zielgruppe der Untersuchung waren unfallbeteiligte Personen, die sekundär unter HWS-Traumen zu leiden hatten. Aus der unumstrittenen Wechselbeziehung von Verletzungsschwere und kollisionstypischer Geschwindigkeitsänderung Δv im Unfallstoß ging als Teilergebnis hervor, dass HWS-Belastungen durch Kopfstützensysteme methodisch durch angepaßte Schlittenaufprallversuche mit instrumentierten Dummies untersucht und gemessen werden können.


Testaufbau
Mit einer teilausgestatteten und verstärkten Rohkarosserie eines gängigen Pkw-Typs, montierbar in verschiedenen seitlichen Stoßrichtungslagen auf einem Rollwagen, wurden mehrere Reihen von Aufprallversuchen durchgeführt. Die Beifahrer und die hintere äußere Sitzposition waren jeweils mit einem teilinstrumentierten anthropometrischen Testdummy Hybrid 3 besetzt. Der Sicherheitsgurt war angelegt und die Kopfstütze in den Standardtests bestimmungsgemäß eingestellt.


Ergebnisse
In insgesamt 16 Schlittenaufprallversuchen bei heck- und frontalseitigen, geraden und schiefwinkeligen Anstoßrichtungen wurden experimentell und analytisch die Möglichkeiten sicherheitstechnisch verbesserter Kopfstützensysteme untersucht und Lösungsansätze dazu erprobt. Eine Basis-Versuchsreihe diente der Ermittlung des Wissenstandes. In einer weiteren Reihe von Entwicklungsversuchen wurden idealisierte Belastungsbedingungen unterlegt. Schließlich wurde als Ergebnis der analytischen Arbeit das Konzept einer aktiven Kopfstütze, die sich unfallsituationsgerecht entwickelt und bereitstellt, entworfen und provisorisch realisiert.

Das Konzept der aktiven Kopfstütze beinhaltet die seitwärts und nach oben gerichtete Erweiterung der Kopf-Abstützflächen in jeder Sitzposition. In Verbindung mit dem Nachbarsitz ergibt sich eine geschlossene, den Innenraum quer überspannende Abstützfläche. Auf dieser wird der Kopf des zurückprallenden Körpers unter jeder unfallbedingt vorstellbaren Auftrefflage und Richtung verletzungspräventiv aufgefangen. So wird mittelbar die HWS-Überstreckung vermindert oder vermieden.


Diskussion und Schlussfolgerungen
Gegenüber anderen Konzepten aktivierter Kopfstützen liegt die innovative Vorteilseignung im Aufbau einer den gesamten Innenraum in Querrichtung überspannenden Stützfläche bis nach oben zum Innendach hin. Gebrauchs- und Einstellprobleme mit z. B. der Höhenanpassung der Kopfstütze treten in ihrer Bedeutung zurück.
Die experimentelle Erprobung dieses bislang nur theoretischen Lösungsansatzes "aktive
Kopfstütze" zeigte ein beträchtliches Reduktionspotential für die wichtigsten verletzungsrelevanten Belastungsmuster in der Halswirbelsäule in der Größenordnung von bis zu 63 % Extension und sogar 86 % für Flexion.
Der Nutzen als Ausdruck vermeidbarer Belastungsschwere oder verringerter Verletzungsrisiken konnte im Experiment mit Hilfe einer behelfsmäßig gefertigten aktiven Kopfstütze gezeigt werden.

Auf eine Reihe von damit verbundenen Problemen, aber auch auf weitere Entwicklungsmöglichkeiten konnte im Rahmen dieser Untersuchung nicht vollständig eingegangen werden. Die erreichten Schutzvorteile lassen sich durch verschiedene Gestaltungsparameter weiter steigern.